
Die repräsentative Villa Mumb im Hietzinger Cottage
Eine Lebens- und Familiengeschichte an Hand von Fotos aufzudröseln, ist eine besondere Art, sich einer Biographie zu nähern. Beim Betrachten der Bilder der Sammlung stellen sich Fragen über Fragen und man weiß gar nicht, wo man anfangen soll. Aber Schritt für Schritt kommt mehr Licht in die Geschichte der Familie Mumb. In diesem Beitrag geht es um die in der Fotosammlung von Ein gutes Händchen einige Male abgebildete Villa der Familie in Hietzing, die die Mumbs nach 1910 beziehen. Wir wissen nun, dass Baurat Josef und Anna Mumb mit den Söhnen Rudi und Pepi bis 1910 in der Neue Weltgasse 18 in Wien Hietzing wohnen. Am 1. April 1910 erwirbt Josef Mumb gleich um die Ecke eine Liegenschaft in der Eitelbergergasse 9 / Larochegasse 5 für die geplante neue Familienvilla. Die schöne Villa im Hietzinger Cottage ist bis heute fast unverändert erhalten. Wie aus dem Kaufvertrag im Grundbuch Hietzing hervorgeht, kauft Josef Mumb das Grundstück um einen Kaufpreis von 39.460 Kronen von den bisherigen Eigentümern.
Die neue Welt
Die Liegenschaft liegt in dem noch nicht durchgehend bebauten Gebiet zwischen Lainzerstraße, St. –Veit-Gasse und Hietzinger Hauptstraße, das ehedem der Vergnügungspark „Neue Welt“ der Familie Schwender war. Der Kaffeesieder Carl Schwender baute das herrschaftliche Gebäude mitsamt dem riesigen Areal, das er zu Beginn der 1860 Jahre erworben hatte zu einem Park mit erstrangigen Sommervergnügungsetablissements aus. Hier gab es neben dem Schloss mit Restauranträumen und Kaffeeterrasse eine große Konzertarena, Treibhäuser und Orangerien, Orchesterpavillons mit Tanzflächen, das Restaurant „Alhambra“ im maurischen Stil, ein Sommervarieté, einen englischer Garten und einen Feuerwerksplatz für pyrotechnischen Vorführungen. Bei romantischer Nachtbeleuchtung konnten bis zu 10.000 Gäste in der Neuen Welt flanieren oder der Musik von Johann Strauss‘ Sohn und dessen Brüdern lauschen.

Der Sommervergnügungspark Neue Welt in Hietzing, angelegt für bis zu 10.000 Besucher. Bildquellennachweis: Bezirksmuseum Hietzing
Nach dem Tod von Schwenders Sohn Carl, der den Betrieb weiterführte, wurde das Areal verkauft, 1883 parzelliert und in den darauffolgenden Jahren und Jahrzehnten verbaut. Die erste Gasse, die in der ehemaligen Neuen Welt durch die Bebauung entstand ist nach dieser benannt. Das Gebiet der ehemaligen Neuen Welt deckt sich mit dem heutigen Hietzinger Cottage. Angelehnt an das Döblinger Cottage wurden hier private Ein – und Mehrfamilienhäuser mit Vorgarten und Garten errichtet. Gemäß dem Cottagegdanken waren die Eigentümer zur Herstellung von Vorgärten mit Gitterabschluss verpflichtet. Eine Besonderheit des Cottage ist auch, dass die Eigentümer der Liegenschaften seitens der Gemeinde Wien verpflichtet waren, einen Gehsteig vor Ihrem Haus zu errichten und erhalten. Diese Verordnung aus dem Jahre 1893 ist wohl der Grund dafür, dass die Gehsteige im Hietzinger Cottage heute noch so uneinheitlich belegt sind.
Erbaut von Carl Witzmann
Mit der Planung der Villa Mumb wurde der am Anfang seiner erfolgreichen Karriere stehende Josef Hoffmann-Schüler Carl Witzmann beauftragt. Witzmann, als Vertreter einer gemäßigten Moderne verstand es perfekt seine großbürgerlichen Bauherren zufriedenzustellen. Auch mit der Mumb’schen Villa mit ihrer gegliederten Fassade, den französischen Fenstern, Erkern und zahlreichen Elementen des Biedermeier ist ihm ein repräsentativer Bau für eine Familie des gehobenen Bürgertum gelungen. Die Villa in der Wiener Eitelbergergasse ist laut Architektenlexikon des Architekturzentrum Wien das dritte Bauvorhaben Witzmanns, das umgesetzt wird.
Carl Witzmann ist eine prägende Figur der Wiener Architektur- und Designgeschichte der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. 1904 schließt er sein Architekturstudium bei Josef Hoffmann und Hermann Herdtle an der Wiener Kunstgewerbeschule (heute Universität für angewandte Kunst) ab. Neben seiner Tätigkeit als freier Architekt ist er von 1908 bis 1928 Lehrer – ab 1912 Professor – an der Kunstgewerbeschule. Die Jahre 1915 – 1918 ausgenommen, während derer er als Soldat im Ersten Weltkrieg dient. In den Jahren 1907 bis 1913 entwirft Carl Witzmann zahlreiche Villen und Wohnhäuser in Hietzing, die meisten davon im Gebiet der sogenannten „Neuen Welt“.

Diele der Villa Mumb. Das Interieur ist konventionell mit Anklängen an Historismus und Biedermeier.
Als Mitglied der Wiener Werkstätte ist Carl Witzmann ganz dem Gedanken das Gesamtkunstwerk verpflichtet. In diesem Sinne gestaltet er für viele der von ihm entworfenen Bauten auch die Innenausstattung und Möbel. Nicht jedoch für die Villa Mumb, wie sich anhand der erhaltenen Innenraumfotos ersehen lässt, die eine durchaus konventionelle Einrichtung im Stile des Historismus zeigen.
Als Leiter der Entwurfszeichenklasse für Kunsthandwerk an der Wiener Kunstgewerbeschule und später als Leiter der Fachklasse für Innenarchitektur und Möbelbau beeinflusst er zahlreiche Künstlerinnen der Wiener Werkstätte, die bei ihm studieren. Nur am Rande sei bemerkt, dass ich mich mit diesen circa 100 Künstlerinnen der Wiener Werkstätte im Rahmen meines Geschichtestudiums an der Universität Wien gerne und ausgiebig beschäftigt habe. Von Witzmann stammen zahlreiche Entwürfe für Möbel, Lampen, Stoffe, Glas und Designgegenstände für eben die Wiener Werkstätte und andere renommierte Firmen wie Thonet, Backhausen, Lötz und Lobmeyr.
1915 Verkauf der Villa
Lange wohnt die Familie nicht im neuen Haus. Knapp fünf Jahre nachdem er den Grund kaufte, am 16. Februar 1915, verkauft der nunmehrige K. und K. Baurat Josef Mumb die Villa samt Garten an den Zuckerfabriksdirektor Franz Herbst aus Petöhaza bei Oedenburg (heute Sopron, Ungarn). Mit dem Verkaufspreis von 115.000 Kronen werden die grundbücherlich festgehaltenen Schulden in der Höhe von 95.000 Kronen bei der Anglo-österreichischen Bank getilgt. Darüber, warum die Familie die Villa nach so kurzer Zeit wieder verkauft, lässt sich nur spekulieren. Herauszufinden, wie es dazu kam und wie es mit der Familie Mumb weitergeht, ist Ziel meiner weiteren Nachforschungen.
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So interessant! Ich bin gespannt, wie es weitergeht und warum sie verkauft haben.
Liebe Ursula,
danke für den ersten Kommentar auf meinem Blog 🙂
Ich bin auch sehr neugierig, wie die Geschichte weitergeht – nachdem es 1915 ist, wird es wahrscheinlich eher turbulent sein.